Die Planungen des Landes, über 500 Geflüchtete in der früheren Herz-Kreislauf-Klinik in Waldkirch unterzubringen, können nicht unterstützt werden.
Folgende Gründe sprechen dagegen:
- Über 500 Menschen in einer Einrichtung unterzubringen, birgt großes Konfliktpotential. Geflüchtete sind auf engstem Raum ohne Freizeitgestaltung oder Beschulung der Kinder zusammen.
- Soweit das Regierungspräsidium in der Gemeinderatssitzung vom 18.7.2023 vorgetragen hat, dass eine ehrenamtliche Unterstützung insbesondere durch Freizeitprogrammangebote und Bildungsangebote unerlässlich sei, ist festzuhalten, dass dies die ehrenamtlichen Strukturen in Waldkirch überfordern würde. Schon heute ist es nicht einfach, für die derzeit in Waldkirch lebenden Geflüchteten ehrenamtliche Bürgerinnen und Bürger zur Betreuung zu finden.
- Eine derart große Einrichtung für Geflüchtete überfordert auch die Infrastruktur in Waldkirch. Mit guten Gründen wurden die Landeserstaufnahmeeinrichtungen in größeren Städten wie Freiburg eingerichtet. Zum Vergleich: 500 Menschen in Waldkirch würden 5000 für Freiburg bedeuten. Wo sie in kleineren Gemeinden eingerichtet wurden, gab es erhebliche Konflikte. Besser auch im Interesse der Geflüchteten ist es deshalb, mehrere kleinere Einrichtungen, etwa vier Einrichtungen à 150 Geflüchteten und davon auch eine in Waldkirch, einzurichten.
- Wenn so viele vermutlich überwiegend jüngere Männer mit der Auflage, den Landkreis nicht verlassen zu dürfen, zusammen auf engem Raum leben, zeigen die Erfahrungen aus anderen Einrichtungen, dass es zu Konflikten und Gesetzesverstößen kommt. Auch im Sinne der geflüchteten Menschen ist deshalb die dezentrale Unterbringung in möglichst kleinen Gruppen sinnvoller.
- Das sog. EA-/LEA-Privileg, wonach Landkreise mit einer EA oder LEA weniger Geflüchtete aufnehmen müssen, wird von der Landesregierung laut Informationen vom Städtetag in Frage gestellt. Eine gesetzliche Regelung dazu gibt es nicht und wie die laut Regierungspräsidentin Schäfer für nächstes Jahr angekündigte gesetzliche Regelung aussehen wird, ist offen.
- Die frühere Herz-Kreislauf-Klinik diente in den letzten Jahren als Steuersparmodell für den Marseille-Konzern. Dieser hat die Gebäude verrotten lassen. Nun sollen 5 Millionen Euro investiert werden, so dass eine hohe Miete aus Steuermitteln vorgesehen sein muss, um diesen Betrag zu refinanzieren. 2015 haben der Landkreis und das Regierungspräsidium mit guten Gründen die frühere Herz-Kreislauf-Klinik gerade deshalb nicht angemietet. Diese Gründe gelten fort. Das Beste wäre es, das Land würde darauf hinwirken, dass die Marseille-Kliniken die Herz-Kreislauf-Klinik zu einem angemessenen Preis veräußern, damit diese angesichts der angespannten Situation auf dem Wohnungsmarkt anderweitig genutzt werden kann. Eine entsprechende Kaufoption zu einem realistischen Verkehrswert ist aber zumindest derzeit nicht vorgesehen im beabsichtigten Mietvertrag.
- Eine so große Einrichtung mit über 500 und bis zu 1000 Geflüchteten (so Regierungspräsidentin Schäfer in der Gemeinderatssitzung vom 18.7.2023) wäre auch nicht nur vorübergehend. Denn erfahrungsgemäß werden bei einem Rückgang der Anzahl der Geflüchteten zuerst die behelfsmäßigen Einrichtungen wie die Unterbringung in Sporthallen oder angemieteten Containern aufgelöst. Unterbringungen in festen und mit Millionen instandgesetzten Gebäuden verbleiben deshalb auf Dauer. Die Einrichtung einer Erstaufnahmestelle in der früheren Herz-Kreislauf-Klinik wäre also keine vorübergehende Notlösung, sondern eine Dauereinrichtung.
- Sowohl in Deutschland, vor allem aber auf Ebene der Europäischen Union wird es in wenigen Monaten eine erhebliche Verschärfung und eine völlige Neuausrichtung des gemeinsamen europäischen Asylrechtes geben. Dies wird, wie Befürworter und Gegner dieser Maßnahmen gleichermaßen einschätzen, dazu führen, dass die Zahl der nach Deutschland kommenden Geflüchteten zurückgehen wird. Insofern ist nicht einzusehen, dass der Mietvertrag für die Erstaufnahmeeinrichtung auf 10 Jahre läuft und damit auch auf so lange Zeit Steuermittel gebunden sind.
- Ergänzend sei darauf verwiesen, dass der ganze Prozess seitens des Landes völlig intransparent war. Von einer Beteiligung des Gemeinderates oder der Bürgerinnen und Bürger von Waldkirch kann keine Rede sein. Der Gemeinderat wurde erstmals am 19.07 informiert, nachdem die Verhandlungen nahezu abgeschlossen sind, was die Schaffung der Einrichtung an sich angeht.
Aus den genannten Gründen sollten maximal 150 Geflüchtete in der ehemaligen Herz-Kreislauf-Klinik aufgenommen werden und die darüberhinausgehende Zahl, soweit zukünftig noch erforderlich, in anderen Gemeinden in Südbaden untergebracht werden.
Das Regierungspräsidium Freiburg ist deshalb aufgefordert, in diesem Sinne zu agieren und keine Verträge abzuschließen, die die Unterbringung von mehr als 150 Geflüchteten in Waldkirch ermöglichen.